Kein Unfall, sondern ein Verbrechen: Betroffene des Dammbruchs in Brasilien fordern Lieferkettengesetz in Deutschland

Es waren Bilder von verzweifelten, aber auch anklagenden Menschen, die uns heute vor einem Jahr erreichten. Am 25. Januar 2019 brach der Damm eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme in einer Eisenerzmine der Firma Vale S.A. nahe der Ortschaft Brumadinho in Brasilien. Ein Jahr danach kämpfen die Betroffenen um Aufklärung und Gerechtigkeit – und fordern ein Lieferkettengesetz in Deutschland.

Berlin, 27.01.2020 – Die Schlammlawine riss alles mit sich: Arbeiter der Mine, die in einer Kantine zu Mittag aßen, Anwohner, Häuser, Autos, Bäume, Tiere. Der Welle fielen 272 Menschen zum Opfer. Die schwermetallhaltigen Schlämme verseuchten das fruchtbare Flusstal des Rio Paraopeba, die Trinkwasserversorgung kollabierte. Die Gemüseproduktion kam zum Erliegen, viele Bäuerinnen und Bauern verloren ihre Lebensgrundlage. Über die langfristigen Folgen der Katastrophe herrscht immer noch keine Klarheit. Verantwortlich für diese Katastrophe ist unter anderem der TÜV Süd, der den Staudamm kurz zuvor als sicher zertifizierte.

Doch das deutsche Unternehmen bestreitet jegliche Mitverantwortung für den tödlichen Dammbruch. Die Betroffenen kämpfen derweil um Aufklärung und Gerechtigkeit: Gemeinsam mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und mit MISEREOR – beides Trägerorganisationen der Initiative Lieferkettengesetz – haben sie in München Anzeige gegen TÜV Süd eingereicht. Der Vorwurf gegen das Unternehmen und einen Mitarbeiter lautet unter anderem: fahrlässige Tötung.

„Seit einem Jahr schieben sich TÜV SÜD und Vale gegenseitig die Schuld am Dammbruch zu. Ich bin überzeugt, der Tod meines Vaters und der 271 anderen hätte verhindert werden können. Dank unserer Strafanzeige ermittelt auch die Staatsanwaltschaft München zur Rolle von TÜV SÜD. Ich hoffe, dass bald alle Betroffenen Gerechtigkeit erlangen. Eine menschengemachte Katastrophe wie diese darf sich nicht wiederholen“, sagt Marcela Nayara Rodrigues. Wie die meisten der Toten war ihr Vater Mitarbeiter von Vale.

Die Betroffenen fordern aber auch politische Folgen in Deutschland: Sie unterstützen die Initiative Lieferkettengesetz, die von der Bundesregierung ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt fordert. Damit sollen Unternehmen künftig für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haftbar gemacht werden können.

„Meine Schwester und viele andere haben für den Profit von Vale und TÜV SÜD mit ihrem Leben bezahlt“, sagt Angélica Amanda Andrade, deren Schwester bei dem Dammbruch getötet wurde. „Globale Unternehmen dürfen nicht länger Gewinne auf Kosten der Menschenrechte und der Umwelt machen. Gäbe es in Deutschland ein gutes Lieferkettengesetz, wären Unternehmen endlich verpflichtet, so zu wirtschaften, dass sie Mensch und Natur nicht gefährden.“

Die Petition für ein Lieferkettengesetz haben mittlerweile fast 120.000 Menschen unterzeichnet – und es werden täglich mehr.

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