Häufige+ Fragen

Dieses FAQ fasst häufige Fragen und Argumente zum Thema Lieferkettengesetz zusammen. Es liefert Antworten – auch auf kritische Nachfragen.

Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen. Die Initiative tritt ein für eine Welt, in der Unternehmen Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden — entlang ihrer gesamten Lieferkette, von der Rohstoffgewinnung bis zum Endkunden, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland. Erschreckende Berichte über brennende Fabriken, ausbeuterische Kinderarbeit oder zerstörte Regenwälder zeigen immer wieder: Freiwillig kommen viele Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach. Daher fordern wir ein Lieferkettengesetz in Deutschland! Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, müssen dafür haften. Skrupellose Geschäftspraktiken dürfen nicht länger ohne Konsequenzen bleiben.

Deutsche Unternehmen beziehen Rohstoffe, verarbeitete und teilweise verarbeitete Produkte aus der ganzen Welt. Sie investieren in Produktions- und Vertriebsstätten im Ausland und exportieren ihre Güter in andere Weltregionen. Dabei sind Menschenrechtsverstöße in vielen Branchen keine Ausnahme: In der Herstellung unserer Kleidung etwa sind Brand- und Einsturzkatastrophen in Textilfabriken nur die Spitze des Eisbergs. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen gehören hier zum Alltag. Auch für die Gewinnung von Rohstoffen für unsere Autos oder Elektrogeräte werden Lebensgrundlagen zerstört. Auf Kakao- und Palmölplantagen arbeiten Kinder unter schwersten Bedingungen. Ein weltweites Portal zu Wirtschaft und Menschenrechten registrierte seit 2005 280 öffentlich gewordene Menschenrechtsvorwürfe gegen deutsche Unternehmen. Viele Probleme sind seit langem bekannt. In den letzten 20 Jahren haben Unternehmen immer wieder beteuert, dass sie sich „freiwillig“ um eine Lösung kümmern. Doch mittlerweile zeigt sich: Diese freiwilligen Ansätze führen zu kaum mehr als kosmetischen Korrekturen. Menschenrechtsverstöße sind Teil eines Systems, in dem Unternehmen unter hohem Wettbewerbs- und Preisdruck stehen, aber für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit im Ausland keine Verantwortung tragen. Es braucht einen verbindlichen Rahmen, damit Unternehmen die Menschenrechte in ihren Lieferketten wirklich beachten. Außerdem müssen Betroffene endlich die Möglichkeit erhalten, ein Unternehmen bei Verstößen zur Rechenschaft zu ziehen.

In anderen europäischen Ländern gibt es Gesetze gegen Kinderarbeit, moderne Sklaverei und für die Achtung der Menschenrechte im Auslandsgeschäft. Die Debatte um ein deutsches Lieferkettengesetz hat bereits begonnen und steht für das Jahr 2020 auf der politischen Tagesordnung. Die Gelegenheit, dem Prinzip „Gewinne ohne Gewissen“ ein Ende zu setzen, ist jetzt.

Die Verantwortung zur menschenrechtlichen Sorgfalt wurde 2011 auf internationaler Ebene in den sogenannten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen konkretisiert. Die „Initiative Lieferkettengesetz“ will diese menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen gesetzlich festschreiben und orientiert sich damit an der Umsetzung eines international anerkannten Standards.

Sorgfaltspflicht bedeutet, dass ein Unternehmen wesentliche Risiken seiner globalen Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt in einer Risikoanalyse ermitteln muss. Es muss vorsorglich wirksame und zumutbare Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Umwelt ergreifen. Die Sorgfaltspflichten betreffen die gesamte Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, also die Lieferkette von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. Schwerwiegende Auswirkungen müssen vor Ort überprüft, Beschwerdemechanismen für Betroffene eingerichtet, bestehende Verletzungen beendet und Schäden wiedergutgemacht werden. Unternehmen müssen transparent über die getroffenen Maßnahmen berichten.

Unternehmen garantieren bereits jetzt die Sicherheit und Qualität ihrer Produkte. Sie vereinbaren mit ihren Lieferanten Standards, exakte Lieferzeiten, Ausfall- und Entschädigungsklauseln. Daran lässt sich anknüpfen: Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten können in bestehende Abläufe integriert und bei Vertragsverhandlungen berücksichtigt werden. Die Komplexität der Maßnahmen sollte der Größe eines Unternehmens angemessen sein. Gerade mittelständische Unternehmen legen häufig Wert auf verlässliche, langfristige und zum Teil direkte Lieferbeziehungen. Unternehmen, insbesondere kleinere, können sich auch branchenweiten Lösungen anschließen.

Die Initiative verlangt, dass Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, die international anerkannten Menschenrechte auch im Ausland achten. Dazu gehören beispielsweise das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, die Vereinigungsfreiheit, das Verbot von Diskriminierung am Arbeitsplatz und das Recht auf Gesundheit. Diese sind in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den Menschenrechtsabkommen und in der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit festgeschrieben. Zu den Umweltstandards, die Unternehmen einzuhalten haben, zählen die vor Ort anwendbaren Vorschriften zum Umweltschutz, einzelne Umweltstandards aus internationalen Abkommen sowie der europaweite Standard der besten verfügbaren Technik, es sei denn, Abweichungen lassen sich rechtfertigen.

Die Vereinten Nationen haben sich darauf geeinigt, dass grundsätzlich alle Unternehmen Verantwortung für die Menschenrechte in ihren Lieferketten übernehmen sollen. Mit Blick auf die konkreten Anforderungen sollte ein Gesetz aber eine Lösung mit Augenmaß sein und entsprechend große Unternehmen mit viel Einfluss stärker in die Pflicht nehmen als kleinere. Daher fordert die Initiative Lieferkettengesetz, dass das Lieferkettengesetz für alle Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer*innen gelten soll. Unternehmen mit weniger Beschäftigten – sogenannte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – wären dann betroffen, wenn ihr Haupttätigkeitsfeld in einem Risikosektor liegt, beispielsweise im Bereich Textilien und Leder oder in der chemischen Industrie. Kleinstunternehmen, mit weniger als 10 Mitarbeiter*innen, sollten von der Gesetzesregelung ausgenommen werden. KMU verfügen häufig über kurze Entscheidungswege und langfristig gewachsene Geschäftsbeziehungen. Das erleichtert es ihnen, die Anforderungen eines Lieferkettengesetzes zu erfüllen, ohne dass sie über eine eigene Abteilung zu Unternehmensverantwortung verfügen. Schon jetzt befassen sich einige KMU systematisch mit den Menschenrechten, zum Beispiel in Brancheninitiativen wie der Fair Wear Foundation oder dem Runden Tisch zu Menschenrechten im Tourismus.

Das Gesetz sollte für Unternehmen mit Hauptsitz oder Hauptverwaltung in Deutschland gelten, für Unternehmen mit einer Niederlassung in Deutschland sowie für Unternehmen, die regelmäßig Produkte nach Deutschland einführen. Eine ähnliche Regelung gibt es auch im niederländischen Gesetz gegen Kinderarbeit.

Ein Gesetz ohne Sanktionen ist ein reiner Papiertiger und bleibt wirkungslos. Deswegen fordern wir, dass Unternehmen Bußgelder zahlen müssen, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen und Maßnahmen nicht veröffentlicht haben. Unternehmen, die sich nicht an die Vorgaben halten, sollten vom öffentlichen Einkauf oder der Außenwirtschaftsförderung ausgeschlossen werden können. Wenn ein Unternehmen nicht genug getan hat, um Schäden an Mensch und Umwelt angemessen vorzubeugen, muss es für diese Schäden haften und Entschädigung zahlen. Alle Sanktionen müssen angemessen sein. Auch im Schadensfall kann sich ein Unternehmen durch Nachweis angemessener Maßnahmen entlasten. Die Entscheidung über diese Einzelfälle liegt dann bei dem zuständigen Gericht.

Der Grundsatz lautet: Wer Schäden anrichtet, muss Verantwortung übernehmen. Es geht dabei nicht nur um Schäden, die ein Unternehmen selbst verursacht, sondern auch um Schäden, die entlang der Lieferkette, etwa durch Tochterfirmen, wichtige Geschäftspartner oder Lieferanten entstehen. Denn: Eine Vielzahl von Schäden treten in risikoreicheren Produktionsstufen oder Geschäften auf. Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen nur haften, wenn Schäden erkennbar und mit angemessenen Maßnahmen vermeidbar waren. Das bedeutet: Nur wenn ein Unternehmen nachweislich fahrlässig gehandelt oder bewusst seine Sorgfalt missachtet hat, wird es dafür belangt. Die grundsätzliche Einhaltung der Sorgfalt muss ein Unternehmen beweisen. Den Zusammenhang zwischen dem Handeln eines Unternehmens und dem Schaden, beispielsweise Körper- oder Eigentumsverletzungen oder Landvertreibung, müssen Geschädigte im Einzelfall nachweisen.

Der KiK-Fall20 hat gezeigt: Wir müssen die Lücken im deutschen Recht schließen und die Rechte von Betroffenen besser schützen. Das Textilunternehmen KiK fordert selbst seit der Klage gegen das eigene Unternehmen mehr Rechtssicherheit und verbindliche Regeln zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Das wichtigste Ziel der Haftung ist, Schäden durch vorsorgende Maßnahmen zu vermeiden.

Unternehmen aus Deutschland müssen die Menschenrechte achten und Umweltstandards einhalten, sowohl bei ihren Tätigkeiten im Inland als auch bei ihren Aktivitäten im Ausland. Hierzulande sind Unternehmen durch verschiedene Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt verpflichtet (zum Beispiel durch Regelungen zu Arbeitszeiten oder durch das Verbot gefährlicher Chemikalien). Bei Verstößen können sie belangt werden. Ganz anders bei den Auslandstätigkeiten eines Unternehmens: So ist etwa ein Schuhunternehmen bisher nicht verpflichtet zu prüfen: Leitet die Gerberei, bei der ich mein Leder einkaufe, giftige Abwässer ins Grundwasser? Leider ist die Gesetzeslage zum Schutz von Mensch und Umwelt in den Produktionsländern oft schwach und wird nur unzureichend kontrolliert. Deutsche Unternehmen profitieren von den Möglichkeiten weltweiter Märkte, sind aber bislang nicht dazu verpflichtet, dabei auch Verantwortung zu übernehmen. Ein Lieferkettengesetz würde diese Lücke im Menschenrechtsschutz schließen.

Gesetze in Deutschland gehen häufig über den weltweit geforderten Mindeststandard hinaus. Dennoch gibt es auch hierzulande menschenrechtliche Missstände in Unternehmen, etwa im Baugewerbe, in der Fleischverarbeitung, der häuslichen Pflege oder in der Gastronomie. Hier sind eine bessere Kontrolle und mehr Beratung für betroffene Arbeitnehmer*innen notwendig.

Viele Menschenrechtsverstöße in Lieferketten deutscher Unternehmen sind seit Langem bekannt. Freiwillige Initiativen seitens der Wirtschaft haben das Problem nicht lösen können. Und sie werden es auch in Zukunft nicht tun, denn: Unternehmen, die so billig wie möglich produzieren, haben auch weiterhin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen, die ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Sobald Maßnahmen Mehrkosten erzeugen, schrecken viele Unternehmen davor zurück. Dies hindert auch das Vorankommen in freiwilligen Initiativen wie dem Textilbündnis: So wurde ein Herrenausstatter in dem Bündnis von anderen Mitgliedern gerügt, weil er in der Produktion in der Türkei Gewerkschaftsrechte einschränkte. Er verweigerte eine Mediation innerhalb des Bündnisses und trat dann aus dem freiwilligen Bündnis aus – ohne irgendwelche Konsequenzen.

Freiwillige Maßnahmen von Unternehmen setzen außerdem oft auf Verhaltenskataloge, jedoch ohne sie zu verbindlichen Bestandteilen der Lieferverträge zu machen. Dabei verlangen Unternehmen von ihren Zulieferern Überprüfungsverfahren (Audits) – ein Vorgehen, das für sich genommen nur sehr begrenzte Wirkungen zeigt. Auch Zertifizierungsverfahren reichen oft nicht aus, um die gewünschten Verbesserungen zu erzielen. Damit Unternehmen wirklich wirksame Maßnahmen ergreifen, etwa eine Änderung ihrer Einkaufspraxis oder die langfristige Arbeit mit Zulieferern an verbesserten Arbeitsbedingungen, braucht es gesetzlich verankerte Standards, die für die gesamte Branche gelten. Verbindliche Regeln helfen jenen Unternehmen, die sich engagieren wollen, hierbei beherzter voranzugehen. Nicht umsonst fordern aktuell große Schokoladenhersteller auf europäischer Ebene eine verbindliche Regulierung der Lieferketten, da diese ihnen erst ermöglichen würde, über Einzelinitiativen hinaus wirklich wirksam Kinderarbeit und weitere Menschenrechtsprobleme im Kakaoanbau zu bekämpfen.

Aktuell werden verantwortungsbewusst handelnde Unternehmen benachteiligt. Denn: Gegenüber gewissenlos handelnden Konkurrenten tragen sie höhere Kosten. Diesen Wettbewerbsnachteil kann nur ein gesetzlicher Rahmen verhindern, der alle Unternehmen dazu verpflichtet, sich an Menschenrechte und Umweltstandards zu halten. Die Initiative fordert, dass ein Lieferkettengesetz nicht nur für deutsche Unternehmen gilt, sondern auch für jene, die in Deutschland regelmäßig ihre Waren verkaufen oder eine Niederlassung haben.

Es gibt eine Reihe von Studien, die zeigen: Unternehmen, die sich für Menschenrechte und Umwelt engagieren, können daraus sogar wirtschaftliche Vorteile ziehen. So kann es für sie leichter sein, Investor*innen zu gewinnen oder qualifizierte Mitarbeiter*innen zu rekrutieren. Auch sorgt ein solches Engagement für ein größeres Vertrauen bei Verbraucher*innen und verhindert, dass das Image eines Unternehmens durch mögliche Skandale beschädigt wird. Aus diesem Grund gibt es eine Reihe von Unternehmen in Deutschland, die sich offen für einen gesetzlichen Rahmen zeigen – dazu gehören zum Beispiel Vaude oder BMW. Weltweit verbindliche Standards wären wünschenswert, sind aber angesichts populistischer und autoritärer Regierungen aktuell kaum durchzusetzen.

Die großen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände haben erwartungsgemäß bereits seit Beginn der Diskussionen um ein Lieferkettengesetz deutlich gemacht, dass sie jede Form der verbindlichen Regulierung ablehnen. Ihnen gegenüber steht eine wachsende Reihe von Unternehmen wie beispielsweise BMW, Daimler, Tchibo oder Vaude, die sich klar für ein Lieferkettengesetz aussprechen. Sie sehen zunehmend, dass sie ihre Geschäftsmodelle verändern müssen, um die Menschenrechte zu achten. Wenn sie in diese Schritte investieren, möchten sie keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Unternehmen, die weiterhin verantwortungslos agieren. Außerdem können sie alleine viel weniger erreichen, als wenn auch alle Mitbewerber zu diesen Schritten verpflichtet wären. Wenn zum Beispiel mehrere Abnehmer eines Zulieferbetriebs in der Pflicht sind, vor Ort auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen hinzuwirken, können sie mehr erreichen als ein einzelner Betrieb. Ist eine Metallschmelze gesetzlich verpflichtet, nachzuweisen, wie sie Menschenrechtsverletzungen im Rohstoffabbau vorbeugt, so haben es auch ihre Abnehmer leichter, Herkunft und Abbaubedingungen der verwendeten Metalle nachzuvollziehen. Für Unternehmen, die die Menschenrechte in ihren Geschäften konsequent achten und umsetzen wollen, liegen die Vorteile eines Gesetzes auf der Hand.

Bislang sind in Deutschland nur wenige Unternehmen verpflichtet, auch über Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten. Das betrifft derzeit nur Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen, die Aktien oder Anleihen ausgeben. Auch wenn Nachhaltigkeitsberichte das Bewusstsein über Unternehmensverantwortung allgemein erhöht haben, gehen sie oftmals nicht über Absichtserklärungen hinaus. Meist fehlt auch eine systematische Analyse der Risiken in Lieferketten. Bislang führen Nachhaltigkeitsberichte vor allem zu einem bürokratischen Aufwand – die Wirkung in den Produktionsländern ist gering. Ein Lieferkettengesetz wäre keine reine Berichtspflicht, sondern eine Pflicht, wirksam zu handeln. Bestehende Prozesse in Unternehmen wie die Qualitätssicherung könnten künftig menschenrechtliche Aspekte integrieren. Neue digitale Instrumente verbessern zudem die Rückverfolgung und Kontrolle in Lieferketten. Um eine doppelte Berichtspflicht zu vermeiden, muss die Einhaltung des Lieferkettengesetzes gleichzeitig auch als Erfüllung der Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gelten.

Andere Länder haben bereits Gesetze erlassen, die Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte in ihrer globalen Geschäftstätigkeit verpflichten. Diese Gesetze betreffen auch viele Unternehmen aus Deutschland, weil sie in die jeweiligen Länder Waren ausführen oder zuliefern. Ein Lieferkettengesetz schließt die Rechtslücken in Deutschland und reiht sich ein in einen Trend zu verbindlicher Unternehmensverantwortung.

  • Frankreich hat im Februar 2017 ein Gesetz zu Sorgfaltspflichten französischer Unternehmen verabschiedet. Das Gesetz verlangt von Unternehmen Sorgfaltsmaßnahmen und ermöglicht, die Unternehmen bei Verstößen dagegen zivilrechtlich zu belangen.
  • Die Niederlande haben im Mai 2019 ein Gesetz gegen Kinderarbeit verabschiedet, das Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kinderarbeit verpflichtet und Beschwerdemöglichkeiten und Sanktionen vorsieht.
  • In der Schweiz ist aktuell ein Gesetzesentwurf zur Konzernverantwortung im parlamentarischen Verfahren, unterstützt von einer breiten Initiative für Konzernverantwortung. Der Gesetzesvorschlag enthält verbindliche Sorgfaltspflichten und sieht eine Haftung für Schäden vor.
  • Die EU hat verbindliche Vorgaben für den Handel mit Holz und mit Konfliktmineralien erlassen, die Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorschreiben.
  • Italien hat 2015 sein Unternehmenshaftungsgesetz überarbeitet und neben Korruption und Umweltvergehen einen Katalog von Menschenrechtsverletzungen ergänzt.
  • In Großbritannien verpflichtet ein Gesetz gegen Moderne Sklaverei zur Berichterstattung und Maßnahmen gegen Zwangsarbeit. Es gibt darüber hinaus eine umfangreiche Rechtsprechung zur Haftung der Konzernmutter für Tochterunternehmen.
  • In Norwegen hat Ende 2019 eine von der Regierung beauftragte Kommission einen Entwurf für ein Lieferkettengesetz vorgelegt. Es wird von den beiden größten Wirtschaftsverbänden unterstützt.
  • In Finnland, Dänemark, Österreich und Luxemburg gibt es auf parlamentarischer Ebene oder in Regierungsvereinbarungen Vorschläge zur Verankerung verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten.
  • In Australien gibt es seit 2018 ein Gesetz gegen Moderne Sklaverei.
  • Die USA legen Unternehmen seit 2010 verbindliche Vorgaben im Handel mit Konfliktmineralien auf.

Eine verbindliche und ambitionierte Rahmensetzung zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene wäre wünschenswert, da eine größere Anzahl von Unternehmen verpflichtet werden könnte. Wenn es neben den bestehenden Gesetzen aus Frankreich, den Niederlanden und weiteren Initiativen auch ein Gesetz in Deutschland gäbe, würde der Druck auf die EU-Kommission steigen, eine starke europäische Regulierung zu erarbeiten. Ein Lieferkettengesetz in Deutschland würde daher die Grundlage für ein glaubhaftes Engagement der Bundesregierung für eine europäische Regulierung schaffen – auch vor dem Hintergrund der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte 2020.

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat 2011 die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte angenommen – einen internationalen Empfehlungskatalog zur Achtung von Menschenrechten im globalen Wirtschaften, der einen Mix aus verbindlichen und freiwilligen Maßnahmen vorschlägt. Zur Umsetzung dieser Leitprinzipien hat die Bundesregierung Ende 2016 einen „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)“ verabschiedet. Dieser steht unter dem Prinzip der Freiwilligkeit. Unternehmen werden aufgefordert und unterstützt, die Menschenrechte im Ausland zu achten. Bis 2020 soll die Wirksamkeit des NAP überprüft werden. Sollte sich herausstellen, dass bis 2020 weniger als 50 Prozent der großen Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter*innen freiwillig Prozesse zur Achtung der Menschenrechte eingeführt haben, soll dem Aktionsplan zufolge ein Gesetz geprüft werden. Der Koalitionsvertrag sieht für diesen Fall ein Lieferkettengesetz vor. Zur Überprüfung des 50 Prozent-Ziels hat die Bundesregierung ein Überprüfungsverfahren (Monitoring) beschlossen. Dabei wurden Unternehmen befragt, wie es bei ihnen um die Umsetzung der Sorgfaltspflichten steht. Dieses Verfahren war und ist Gegenstand zahlreicher politischer Auseinandersetzungen und weist etliche methodische Schwächen auf. Bei einer ersten Unternehmensbefragung wurde aufgrund zögerlicher Beteiligung zweimal die Rückmeldefrist verschoben und die Stichprobe ausgeweitet. Die Auswertung ergab, dass nur etwa 20 Prozent der Unternehmen, die geantwortet haben, die Anforderungen des NAP erfüllen – und das neun Jahre nach Annahme der UN-Leitprinzipien.

Die Initiative Lieferkettengesetz fordert verbindliche Regeln für Unternehmen – unabhängig vom Ergebnis des Monitorings. Jedes Unternehmen, das in seiner Lieferkette gegen die Menschenrechte verstößt, ist eines zu viel. Auch der Sozialausschuss der Vereinten Nationen kritisierte 2018 die Quotenregelung des Nationalen Aktionsplans und empfahl eine gesetzliche Regelung. Die ungeplante Veröffentlichung eines vertraulichen Gesetzesvorschlags aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Frühjahr 2019 hat die Diskussion um ein notwendiges Gesetz befeuert. Ende 2019 kündigten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller (CSU) an, Diskussionspunkte für ein Lieferkettengesetz auszuarbeiten.

Es ist schwierig, dazu allgemein gültige Aussagen zu treffen. Preisentwicklungen hängen davon ab, ob und inwiefern Unternehmen höhere Kosten auf den Endpreis umlegen. Wenn eine gesamte Branche zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette verpflichtet wird, ist es möglich, dass die Kosten für ein einzelnes Unternehmen sinken. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Mehrkosten für Unternehmen durch ein Lieferkettengesetz in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Zum Beispiel gehen von dem durchschnittlichen Preis einer Tafel Vollmilchschokolade (0,89 Euro) derzeit zwischen vier bis fünf Cent als Lohn an die Kakaobäuer*innen in Ghana und der Elfenbeinküste. Würde der Lohn auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben, wäre eine Vollmilchschokolade für Konsument*innen in Deutschland etwa fünf Cent teurer. Die Zeitschrift WirtschaftsWoche hat 2017 geschätzt, dass sich bei einem Mittelklassewagen mit einem Kaufpreis von 25.000 Euro die Mehrkosten für faire Rohstoffe (insbesondere Stahl, Kupfer, Aluminium und Platin) auf insgesamt etwa 200 Euro belaufen. Wichtig ist ein verbindliches Gesetz, das die gesamte Branche in die Pflicht nimmt, da sonst Unternehmen, die allein Standards verbessern, an der Preisfrage scheitern können.

Jedes Land muss Gesetze schaffen und durchsetzen, damit Mensch und Umwelt nicht zu Schaden kommen. Die Verantwortung für die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten allein bei den Produktionsländern zu verorten, ignoriert aber die tatsächlichen Machtverhältnisse und begrenzten Spielräume finanzschwacher Staaten. Erfahrungen zeigen, dass der Schutz der Menschenrechte in Produktionsländern oft unzureichend gewährleistet wird – sei es durch fehlende Möglichkeiten, mangelnde Bereitschaft, schwache staatliche Strukturen, Standortwettbewerb oder Korruption. Internationale Standards machen klar, dass Unternehmen auch in diesen Fällen Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in ihrer Lieferkette übernehmen müssen. Wenn Produktionsländer heute selbst bessere Gesetze (beispielsweise höhere Mindestlöhne) zur Achtung der Menschenrechte schaffen und deren Einhaltung gründlicher kontrollieren, besteht für sie die Gefahr, dass transnationale Unternehmen ihre Produktion in andere Staaten verlegen oder ihre Rohstoffe aus anderen Ländern beziehen, um Kostensteigerungen zu entgehen. Verbindliche Regeln für Unternehmen kehren diese perfide Logik der Globalisierung um: Starke Umwelt- und Arbeitsgesetze und eine gute Durchsetzung dieser werden zum Standortvorteil für Produktionsländer, nicht allein günstige Produktion. Ohne menschenrechtsbasierte Regeln für Unternehmen ist Globalisierung nicht zukunftsfähig.

Verbindliche Standards für Menschenrechte und Umwelt stärken auch Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen, Menschen, die von ihrem Land vertrieben wurden, oder Umweltaktivist*innen den Rücken. Denn diese nehmen in ihren Kämpfen für bessere Arbeit, ein selbstbestimmtes Leben und den Erhalt der Lebensgrundlagen immer wieder Bezug auf die universellen Menschenrechte.

Ein Lieferkettengesetz bringt positive Veränderungen vor Ort: Beschäftigte in der Produktion profitieren von verbesserten Arbeitsbedingungen, wenn Unternehmen zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards verpflichtet sind. Anwohner*innen einer Fabrik geht es gesundheitlich besser, wenn sich diese an verpflichtende Abgaswerte hält und zum Beispiel einen Abgasfilter einbauen muss.

Kritiker*innen äußern die Befürchtung, dass Unternehmen nicht länger in Ländern investieren würden, die die Achtung der Menschenrechte nicht ausreichend garantieren. Um dem entgegenzuwirken, sind begleitende entwicklungspolitische Maßnahmen in den Produktionsländern sinnvoll. Sie zeigen zum Beispiel, wie durch nachhaltige Methoden im Kleinbergbau Entwicklung gefördert werden kann.

Klar ist: Wenn wir weiterhin auf das Prinzip „Freiwilligkeit für Unternehmen“ setzen, werden zerstörerische und menschenunwürdige Formen des Wirtschaftens aufrechterhalten und durch fortwährenden Wettbewerbsdruck weiter befördert. Privatwirtschaftliche Investitionen in Ländern des Globalen Südens stellen nur dann einen sinnvollen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung dar, wenn dabei Menschenrechte und Umweltstandards geachtet werden.

Die bestehenden Gesetze in Bezug auf Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten oder Berichterstattung verfolgen unterschiedliche Ansätze. Allgemein zeichnet sich ab, dass Sorgfaltspflichten als Prozessvorgabe in Kombination mit Haftungsrisiken am effektivsten, und reine Berichtvorgaben schwach in der Umsetzung erscheinen. Der UK Modern Slavery Act, der Unternehmen eine Berichtspflicht auferlegt, wurde 2019 evaluiert: Zwar wird dem Gesetz ein Beitrag zur Aufklärung und Sensibilisierung zugeschrieben, allerdings wird die Berichtspflicht als wenig effektiv bewertet, da sie zur Ankreuz-Übung verkommen sei und etwa 40 Prozent der in Frage kommenden Unternehmen die Vorgaben nicht erfüllen. Es gibt auch keine Sanktionsmaßnahmen für nicht erfüllende Unternehmen. Für eine umfassende Evaluation des Lieferkettengesetzes in Frankreich von 2017 oder des Gesetzes in den Niederlanden von 2019 ist es noch sehr früh. In Frankreich wurde bislang eine Klage gegen das französische Unternehmen Total eingereicht. Das französische Parlament hat für 2020 eine erste Evaluation geplant.

Erfahrungen der EU-Konfliktrohstoffverordnung zeigen, dass die Regulierung unterschiedliche Auswirkungen auf große und kleine Wirtschaftsakteure in den Lieferketten haben kann. Kleine und besonders informelle Akteure können benachteiligt werden oder sind mit höheren Hürden konfrontiert, um die Vorgaben zu erfüllen. Konflikte zwischen industriellem Bergbau und Kleinschürfer*innen können sich verschärfen. Entwicklungspolitische Begleitmaßnahmen zur Formalisierung des Kleinbergbaus sowie die Förderung der Möglichkeiten für Kleinschürfer*innen, sich gewerkschaftlich bzw. über Interessensvertreter*innen zu organisieren, sind daher zu empfehlen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Handelsabkommen die Interessen von Unternehmen nicht über die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards stellen. Außerdem sollte im Anwendungsbereich kein regionaler Fokus in der Definition von Risikofaktoren gewählt werden, da so einzelne Länder oder Regionen Gefahr laufen, boykottiert zu werden, indem Produktionsstätten verlegt werden. Ebenso sollte eine Regelung sektorübergreifend ansetzen, da sich ansonsten Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Regionen aus einem Sektor, beispielsweise aus dem Bergbau, auf andere Sektoren, wie der Landwirtschaft verschieben können.

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